Sie war 21 Jahre lang Teil der Ateliergemeinschaft Labor und arbeitet seit viereinhalb Jahren in ihrem eigenen Raum: Moni Port öffnet ihr studio soundso im Frankfurter Nordend freitags auch für die Öffentlichkeit. Zwischen 15 und 18 Uhr kann man dann ihre Bücher ansehen und einen der zahlreichen Siebdrucke sowie Postkarten aus ihrer Werkstatt erwerben. Hin und wieder sind auch Bilder von ihrem Mann Philip Waechter dabei, der dem Labor treugeblieben ist.
Das Thema KI hat Ängste ausgelöst in der Illustrator:innen-Szene, verständlicherweise. Zum Teil sind schon Jobs weggebrochen, weil einige Verlage die Technik, die auf von Urheber:innen geleisteter Arbeit basiert, beispielsweise im Bereich der Covergestaltung einsetzen. Ein Genre, auf das Moni Port seit Jahrzehnten spezialisiert ist.
BilderBuchMarkt: Die Diskussionen rund um das Thema KI haben Fahrt aufgenommen. Wie hast du dich der Sorge gestellt, dass dir Aufträge wegbrechen könnten, als erkennbar wurde, dass das keine Eintagsfliege werden würde? Hast du selbst mal mit KI gespielt?
Moni Port: Nein, ich selbst habe KI im Zusammenhang mit Illustration noch nicht ausprobiert und werde das auch nicht tun. Aber als das Thema Mitte letzten Jahres über die Illustrationsbranche hereinbrach, habe ich an einen Onlineseminar bzw. Vortrag des mediacampus in Frankfurt am Main teilgenommen, der da hieß: „Covergestaltung mit KI“. Ich wollte einfach wissen, mit wem oder was ich es da genau zu tun haben werde, wollte quasi meinen „Feind“ verstehen lernen, eine Position dazu finden.
BilderBuchMarkt: Hat das funktioniert?
Moni Port: Der Vortrag hat mich Vieles gelehrt. Zum einen, dass die Übergänge fließend waren und sind. Ich habe früher als Umschlaggestalterin manchmal tagelang irgendwelche Bildagenturen durchsucht oder stundenlang die Website von AGK-Images durchgeforstet, um das eine passende Stillleben oder die eine passende Ansicht der Frau von hinten vor der Kulisse Venedigs für einen historischen Roman zu finden. Das war nicht besonders kreativ und spaßig, und ich musste nach dem Onlineseminar zugeben, dass ich für solche – ich nenne sie jetzt mal Genre-Titel – nicht ausschließen kann, dass ich damals, vor 25 Jahren, als ich noch als Grafikerin in der Umschlaggestaltung des Eichborn Verlages gearbeitet habe, nicht auch lieber unreflektiert gepromptet und zusammengebastelt hätte, anstatt stundenlang vorm Rechner oder in der Stadtbibliothek zu verbringen, um Motive zu suchen und einzuscannen, die dann wiederum von den Vertreter:innen auf den Konferenzen innerhalb von fünf Minuten abgeschossen wurden.
Auch haben wir vor 25 Jahren Fotograf:innen beauftragt, ganz bestimmte Motive zu fotografieren … „Rosen auf Tisch liegend“. Irgendwann waren unsere Handys dann so gut, dass wir das selbst gemacht haben. Wir hatten zwar Mitgefühl mit den Fotograf:innen, haben es aber dennoch getan, um Geld und Zeit zu sparen. Unsere eigenen Webseiten haben wir irgendwann auch nicht mehr programmieren lassen, sondern Baukastensysteme benutzt, die man selbst bestücken konnte.
„Jetzt erst wird mir das ganze Ausmaß der verschwindenden Berufe, vor allem das Tempo in dem es passiert, immer mehr bewusst. Sehr egozentrisch – zugegebenermaßen.“
Und nun betrifft es meine, bzw. die Illustrationsbranche, und jetzt erst, liegt vielleicht auch am zunehmenden Alter, wird mir das ganze Ausmaß der verschwindenden Berufe, vor allem das Tempo in dem es passiert, immer mehr bewusst. Sehr egozentrisch – zugegebenermaßen. Der Unterschied zu meinem Beispiel der Digitalfotografie ist allerdings ein gravierender, und deshalb lehne ich KI-generierte Illustrationen vehement ab: Sie speisen und generieren sich aus geklauten Illustrationen. Die Programme durchkämmen das Netz nach all unseren Zeichnungen und lernen daraus, werden immer besser und wir als Urheber:innen werden nicht entlohnt. Es ist Diebstahl! Urheberrechtsverletzung. In der Musikindustrie ist es auch sehr dramatisch und verhält sich ähnlich.
BilderBuchMarkt: Ich nehme an, du hast nach dem Seminar aber nicht nur Selbstkritik betrieben.
Moni Port: Nein, ich habe auch erkannt, dass etwa 95 Prozent der Sachen, die dabei herauskamen, mir überhaupt nicht gefielen und hielt sie deshalb für völlig uninteressant. Ich fand sie offen gesprochen oft richtig hässlich, fand sie glatt, kitschig, gefühllos … man sah der KI die KI an. Fünf Prozent jedoch, waren erschreckend gut. Eine KI-generierte Illustration ist so gut wie ihr Prompt, lernte ich. Dass die Seminarleiterin uns damit zu trösten versuchte, war ein wenig absurd. Grafiker:innen würden immer noch gebraucht, denn sie haben die guten Ideen, war ihre Aussage. Die Aussicht, dass Verlage Grafiker:innen fürs Prompten einstellen, halte ich aber für naiv. Es wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass Lektor:innen auf Weiterbildungen geschickt werden und dann selbst prompten lernen und Umschlagentwürfe einbringen müssen. Ein Verlag kann für knapp 40 Euro im Monat Midjourney abonnieren.
Das Onlineseminar hat mir aber auch gezeigt, wie anders ich als kreativer Mensch, als Künstlerin denke und arbeite. Ich gebe keine Schlagworte in mein Hirn ein, keine Motive, die im Buch vorkommen. Mein künstlerischer Prozess ist nicht linear während des Lesens. Manchmal schießt mir eine nicht nachvollziehbare Idee in den Kopf, das kann KI nicht.
BilderBuchMarkt: Das Konkurrieren mit KI-Illustrationen kann also auch das Selbstbewusstsein einer Illustratorin stärken?
Moni Port: Wenn der Verlag, der mich beauftragt, sich der Qualität meiner Arbeit bewusst ist, dann ja. Ein Beispiel: Kürzlich sollte ich eine Umschlagillustration bzw. einen Umschlag für den neuen Roman von Nora Bossong Reichkanzlertag für die Büchergilde Gutenberg entwerfen. Im Briefing stand, dass sie die Farbigkeit des Originalcovers (gelb, pink, leuchtend) sehr spannend fanden, weil bunt, hell und ausdrucksstark, dass Rausch und Veränderung gute Stichpunkte für mich seien, aber auch feministische Bezüge schön wären. Sehr wichtig sei aber auch der historische Aspekt (es geht um Magda Goebbels) und die Zielgruppe sollte ich auch nicht aus dem Auge verlieren (Männer und Frauen, die gerne historische Romane lesen, insbesondere Romane über die Weimarer Republik, und dann später NS-Zeit). Es sollte nicht aussehen wie „Babylon Berlin“, aber dennoch auf diese Zeit verweisen. Anfangs heile Welt, dann düstere Realität.
BilderBuchMarkt: Das klingt schon ziemlich konkret …
Moni Port: Stimmt. Ich habe also ein paar Entwürfe gemacht, die meiner Meinung nach genau diesem Briefing entsprachen, insbesondere dem Wunsch dieser hellen leuchtenden Farbigkeit. Sie gefielen mir auch. Da ich die Bücher meistens komplett lese, bevor ich einen Umschlag mache, habe ich aber noch einen weiteren Umschlag hinzugefügt, der quasi überhaupt nicht dem Briefing entsprach. Meine allererste Idee, die mir nach der ersten Lektüre des Romans in den Sinn gekommen war. Ich hatte ich mir im Netz Fotos von Magda Goebbels angeschaut. Ich wollte ihr Gesicht betrachten. Sie trug, wie viele Frauen in dieser Zeit, auf manchen Fotos diese gerade geschnittenen – ich glaube man nennt sie – Gatsby-Kleider. Oft trug sie zu diesen schnörkellosen Kleidern einen losen Häkelkragen, der vorne zugeknotet um den Hals angebracht war. Mir kam die Idee, nur einen solchen weißen Kragen auf einem Kleiderbügel zu zeichnen, diese kleine Häkelarbeit, und ihn weiß auf dunkles Leinen oder einen blauen Pappband zu prägen. Der Kragen sollte aber nicht mehr intakt sein, er sollte halb aufgetrennt sein …, wie aufgezogen, er sollte sich auflösen und nach unten auslaufen.
BilderBuchMarkt: Wie entsteht solch eine Bildidee bei dir?
Moni Port: Ich kann überhaupt nicht sagen, woher diese Idee kam. Sie kam beim Lesen, beim Nachdenken, beim Spazierengehen oder durch meinen Erfahrungsschatz, ganz viele Eindrücke auf einen einzigen prägnanten herunterzubrechen, sie entwickelte sich – wie gesagt – nicht linear. Der Umschlag entsprach auch überhaupt nicht den gewünschten Farben, war weder leuchtend, noch Rausch, noch bunt noch hell und es waren auch keine Menschen abgebildet. Eine Brüchigkeit war erkennbar, das schon, und dass es ein Kragen für ein Kleid einer Frau war, ebenfalls. In der Typografie habe ich dann die zeitliche Verbindung zu den 20er/30er Jahren hergestellt. Diesen Umschlag habe ich den anderen, genau dem Briefing entsprechenden – ich nenne sie jetzt mal überspitzt: den „geprompteten“ – Entwürfen hinzugefügt, und der Verlag hat sich ziemlich fix für den Häkelumschlag entschieden.
Dass diese Erfahrung in die Woche des erwähnten Onlineseminars fiel, war Zufall. Hat mir aber Mut gemacht und gezeigt, dass ich etwas kann, was KI nicht kann.
BilderBuchMarkt: Noch nicht?
Moni Port: Wie lange noch, ist tatsächlich die Frage. Ich bin nicht naiv. Die Buchbranche durchlebt harte Zeiten, und die KI-Entwicklung geht rasend schnell und wird sekündlich besser.
BilderBuchMarkt: Wie hast du das Thema mit Kolleg:innen diskutiert? Mit einem davon lebst du zusammen.
Moni Port: Wir haben tatsächlich alle ganz unterschiedliche Gedanken dazu. Da ich auch als Grafikerin arbeite und nicht ausschließlich als Illustratorin, habe ich in bestimmten Bereichen ganz konkrete und berechtigte Sorge, dass ich „ersetzt“ werde. Philip hat diese Sorge bei seinen Bilderbüchern weniger. Er hat einen sehr eigenen und wiedererkennbaren Stil. Er kann sich auch besser tunneln und in seine Arbeit abtauchen als ich. Ihm gelingt es besser, dieses Thema beiseite zu schieben. Mich beschäftigt es mehr, vielleicht weil ich stilistisch viel einfacher zu kopieren bin? Wir beide machen uns insgesamt aber eher Sorgen um das große „Ganze“.
Wo wird das hinführen? Wird irgendwann niemand mehr zeichnen? Sitzen alle nur noch vorm Rechner? Es geht doch nicht nur um das, was am Ende dabei herauskommt, es doch auch um den kreativen, schöpferischen und handwerklichen Prozess als solchen. Unser Studium vor 30 Jahren war ein Traum an Freiheit und Kreativität. Ich könnte heulen, dass zukünftige Generationen das so nicht mehr erleben und erlernen werden. Es hat so glücklich gemacht.
BilderBuchMarkt: Was also ist jetzt zu tun, damit das Bewusstsein für die Qualität von Bildern nicht noch mehr nachlässt? Wie kann man sein Auge schulen?
Moni Port: Kinder sollten Bildkompetenz erlernen und möglichst unterschiedliche Bücher, Bilder, Illustrationen, Gemälde und Comics anschauen. Mehr ist mehr. Auch sollten Kinder unbedingt die Erfahrung des Selberzeichnens machen. Welch tolles Gefühl es ist, ganz bei sich zu sein – versunken ins Gestalten. Und Verlage sollten vielleicht eine Art Gütesiegel verwenden. Sie sollten ihre Buchkünstler:innen feiern und herausheben. Damit angeben. Vielleicht (hoffentlich) ist es Buchkäufer:innen wichtig. Aber es wird sehr schwer werden.
BilderBuchMarkt: Bist du selbst schon auf KI-Bilder „hereingefallen“?
Moni Port: Ich habe kürzlich in meiner Buchhandlung ums Eck einen Roman wegen eines Covers in die Hand genommen, weil es mir so gut gefiel. Russische Spezialitäten von Dmitrij Kapitelman. „In die Hand genommen“ ist schon die halbe Miete, würde jeder Vertrieb und jedes Verlagsmarketing sagen. Dann die U4 gelesen, spannend gefunden, gekauft. Zuhause habe ich den Umschlag genauer betrachtet: Ein eingewickelter Fisch in Zeitungspapier, ein bisschen schwebend auf sattem, tollem Orange. Ich wollte wissen, aus welchem Bildarchiv das Gemälde stammt, wie der Urheber heißt (viele Museen machen ihre Werke ja jetzt online zugänglich) und wer wohl der/die Gestalter:in dieses schönen Umschlags ist. Es handelte sich um ein KI-generiertes Motiv mit Midjourney. Ich war extrem gefrustet.
BilderBuchMarkt: Hat sich dein Arbeitsalltag angesichts all dieser Entwicklungen bereits verändert?
Moni Port: Ich schreibe mehr als früher. Vielleicht hat das auch mit KI zu tun. Meine Amsel kann man leicht kopieren, aber meine Geschichten, die kann nur ich erzählen. Wenn ich sie nicht erzähle, wird sie niemand erzählen. Es gibt den durchaus wichtigen Aufruf in der Branche, sich mehr zu zeigen als Künstlerin, den Urheber:innen ein Gesicht zu geben, aber das liegt mir nicht besonders. Sich zu zeigen, zu inszenieren, Instastories mit dem eigenen Gesicht … das fällt mir schwer. Selbst Lesungen fallen mir nicht leicht. Ich beneide diejenigen, denen es nicht so schwer fällt. Aber für mich ist das fast wie ein zweiter Beruf. Heute muss man als Illustratorin auch Performerin sein. Will ich das?
Ich arbeite zum Glück in ganz unterschiedlichen Bereichen, zum einen, weil es mich einfach interessiert, zum anderen aber auch, um mich nicht abhängig von einzelnen Branchen, Personen oder Verlagen zu machen. Ich bin neugierig, auch auf Menschen und Ideen aus ganz anderen Bereichen. Und Gemeinschaftsprojekte helfen mir: Austausch mit anderen, aber dann unbedingt auch wieder strikter Rückzug und ganz freie oder eigene Sachen machen, in die niemand rein quatscht … ganz für mich alleine. Die freien Arbeiten inspirieren umgekehrt dann oft wieder meine Bücher.
Die Fragen stellte Susanna Wengeler
Moni Port wurde 1968 als Tochter einer Winzerfamilie in Bernkastel-Kues geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin in Trier studierte sie Kommunikationsdesign an der FH Mainz, arbeitete als Umschlaggestalterin im Frankfurter Eichborn Verlag, und gründete mit Anke Kuhl und Philip Waechter 1999 die Labor Ateliergemeinschaft in Frankfurt am Main, in der sie als selbständige Illustratorin, Grafikerin und Autorin über 20 Jahre arbeitete. Seit November 2020 betreibt sie das Atelier soundso im Frankfurter Nordend. Dort kann man freitags zwischen 15 und 18 Uhr ihre Arbeiten sehen und erwerben, darunter Siebdrucke und Postkarten in limitierten Auflagen. Immer wieder ersteigert sie auch Vintage-Teller, die sie mit Zitaten aus mehr oder weniger bekannten Songs beschriftet und zu einem guten Zweck verkauft.
Moni Port arbeitet sowohl analog als auch digital, oft sind es Mischformen. Einige Siebdrucke entstehen im studio soundso, andere gibt sie zum Druck ins Shining Labor in Berlin. Neben dem Illustrieren schreibt die Künstlerin inzwischen immer häufiger eigene Texte, nachzulesen u.a. in der Zeitschrift Das Magazin.
Auf dem Rückweg vom studio soundso denke ich über unser Gespräch nach und mache eine Pause auf einer Parkbank. Moni Port hat mir ein Stück Knetradiergummi und ein Stempelkissen mitgegeben, nachdem ich in ihrem Skizzenbuch Illustrationen gesehen hatte und meinte, das würde ich auch gern mal ausprobieren. Ich drücke das Knetradiergummi gegen Baumrinde und stempele die Struktur in mein Notizheft. Mit Hilfe einiger Striche mit Kugelschreiber entsteht später daraus ein Vogel. Wunderbares Begleitmaterial für Ausflüge – auch gemeinsam mit Kindern.
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