Ein sonniger Nachmittag im Mai. In der Buchhandlung Happy in Frankfurt am Main geht es wuselig zu. Kinder laufen vom gegenüber gelegenem Spielplatz zur Glauburgstraße 20 in den Laden, zählen ihr Taschengeld und überlegen, was sie sich davon kaufen können. Die „Candy Bar“ gleich neben der Eingangstür ist oft umlagert, dort finden sich kleine Geschenkartikel u.a. aus den Häusern moses und Coppenrath, in den Regalen darüber werden die Titel der Reihe „Little People, Big Dreams“ aus dem Insel Verlag präsentiert. Kund:innen holen ihre Bestellungen ab, stöbern in dem über drei Räume verteilten Sortiment und tragen einen Kaffee mit nach draußen in den kleinen Garten neben dem Laden.
Dort nehmen Nana Agic-Kunisch und ich an diesem Tag ebenfalls Platz. An demselben kleinen runden Tisch, an dem wir bei meinem ersten Besuch im Jahr 2023 saßen, genießen wir erneut einen leckeren Kaffee aus der Maschine hinter der Ladentheke. Was ist seit Gründung der Buchhandlung geschehen? „Ganz viel“, antwortet sie und holt tief Luft.
Denn die Quereinsteigerin hatte 2022 nicht nur das Ladenlokal renoviert, das sie – damals noch als Kundin – von Kindesbeinen auf kannte, und einen neuen Namen für ihr Unternehmen gewählt. Vielmehr hat sie ein eigenes Konzept verwirklicht, das sie bis heute ständig verfeinert: Happy nennt sich DIE Diversity-Buchhandlung und setzt Schwerpunkte auf die Themen Diversität, Female Empowerment und Antirassismus. Das kommt bei den Kund:innen gut an und wurde 2024 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis gewürdigt. In den ersten drei Jahren sei der Laden gewachsen – sowohl was die Umsätze angeht als auch das Team.
Statt anderthalb Stellen gibt es nun drei, verteilt auf fünf Mitarbeiterinnen: Emily Strickler z.B., die einst einfach mal vorbeischaute, um zu fragen, ob sie nicht im Happy arbeiten könne und als studentische Aushilfe begann, hat inzwischen ihr Grundschul-Lehrerinnen-Studium beendet und sich entschieden, als Vollzeitkraft einzusteigen. Die Arbeit mache ihr einfach Freude, strahlt sie, und das Referendariat könne sie immer noch antreten. Gut für die Kund:innen: Denn Emily Strickler kann nicht nur kompetent beraten, sondern auch ausgezeichnet backen. Die meist veganen Kuchen werden dann im Happy serviert.
Neu im Team ist eine Kollegin, die sich professionell um Social Media kümmert. „Das hat schon viel bewirkt, wir haben viel mehr Kund:innen im Alter von Anfang 20 dazugewonnen“, freut sich Nana Agic-Kunisch. Durch die gewachsene Unterstützung im Laden kann sie sich inzwischen häufiger ins Homeoffice zurückziehen und neue Konzepte entwickeln. Veranstaltungen z.B. bedeuten Kund:innenbindung, machen aber auch viel Arbeit. Diesen Bereich hat sie deutlich ausgebaut.
Etwa 20 Minuten von der Glauburgstraße entfernt gibt es seit September vergangenen Jahres den Happy Event Space im Riffgarten-Forum. „Für unsere Lesungen im Happy hätten wir oft dreimal so viele Karten verkaufen können“, erklärt die Inhaberin. Die Möglichkeiten des 65 qm großen Ladenlokals sind bei aller Kreativität beschränkt. Der neue Raum in einem alten Gewächshaus bietet nun 70 Sitzplätze – es gibt eine Bar. U.a. gab es bereits Abende mit Johanna Sophie und ihrem Buch Wie liebst du denn? (Goldmann), Katharina Linnepe und Wenn das Patriarchat in Therapie geht (Beltz) sowie Mareice Kaiser mit Ich weiß es doch auch nicht (Penguin). Die Eintrittskarten kosten 18 Euro und können über das Portal rausgegangen.de gebucht werden.
Aber auch in der Buchhandlung bietet man weiterhin Events an. Innerhalb von zwei Tagen war das Format „Midnight Stories – Die Happy Reading Party“ ausverkauft, so dass inzwischen drei neue Termine angekündigt wurden. Auch Kinder können Bücher live entdecken, z.B. mit der interaktiven Lesung „Finnja liest vor“, zuletzt zum Bilderbuch Das Grand Hotel der Gefühle (Hatje Cantz) von Lidia Branković. Und demnächst tritt Raffaela Schöbitz mit ihrem Bilderbuch Henne Jenne (Picus) im Rahmen des neuen Frankfurter Literaturfestivals Stadt Land Buch auf.
Die Buchhandlung Happy setzt somit weiterhin einen Schwerpunkt aufs Kinderbuch. Bis zum Alter von etwa zwölf, dreizehn Jahren gebe es eine treue Leser:innenschaft, dann zuweilen eine kleine Pause, und ab Abitur-Alter wieder vermehrte Nachfrage. Bei den Belletristik- und Sachbuchtiteln für Erwachsene habe sie aufgestockt, erzählt Nana Agic-Kunisch. Und redet dabei die allgemeine wirtschaftliche Lage nicht schön: Die Miete sei inzwischen erhöht worden, Logistik-Kosten gestiegen. Ein Geländer wurde an der kleinen Treppe zum Laden installiert, manchmal geht auch etwas kaputt – alles Kosten, die dazu geführt haben, dass sie weiterhin Produkte mit höheren Margen sucht, als Bücher sie bieten.
Da sie privat oft in den Niederlanden unterwegs ist, nutzt sie die Ausflüge, um Nonbooks einzukaufen. Wert legt sie bei der Auswahl auf Nachhaltigkeit. Kerzen, Raumsprays, Schmuck oder Feinkost stammen von inhabergeführten Labels, die ihre Lieferketten transparent machen. Wenn sie Kaufzurückhaltung spüre, dann eher bei den Produkten für Erwachsene. „Für Kinder wird zuletzt gespart“, stellt die Unternehmerin fest und freut sich auch über mehr Aufträge aus Schulen und Bibliotheken.
Vernetzung bleibt ein großes Thema für Nana Agic-Kunisch, die noch zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten sieht. Seit neuestem vermietet sie die Büroräume hinter dem Happy an die Sozialpädagogin und Erzieherin Jessica Reppahn, die dort systemische Coachings für Kinder, Jugendliche und Eltern anbietet. Bei einer Lesung von Mareike Fallwickl im Mousonturm war das Happy kürzlich mit einem Büchertisch präsent. Es ging um den Roman Und alle so still (Rowohlt), das Sachbuch Liebe Jorinde oder Warum wir einen neuen Feminismus des Miteinanders brauchen (Kjona) ist ebenfalls eine große Happy-Empfehlung. „Diese Lesung war mehr als eine literarische Veranstaltung – sie war ein Raum der Reflexion, der Verbindung und der Hoffnung – und ein feministischer Weckruf.“
Der Buchhandels-Alltag bleibt ein ständiger Lernprozess: „Im Umgang mit Kund:innen war ich anfangs oft emotional, da bin ich inzwischen viel gelassener geworden“, sagt sie lächelnd. Happy zeigt durch Plakate und Sticker schon von außen, dass man sich als feministische Buchhandlung versteht. Als vor einer Weile ein Mann den Laden betreten und gefragt habe, wo denn die Männerecke sei, gelang es Nana Agic-Kunisch rasch, das Gespräch auf eine sachliche Ebene zu bringen. „Am Ende hat er ein Buch aus unserer Abteilung mit feministischen Büchern gekauft.“
Susanna Wengeler
Nana Agic-Kunisch, Jahrgang 1978, studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in Düsseldorf, arbeitete im Frankfurter Projekt Affentor, das langzeitarbeitslose Frauen zu Täschnerinnen ausbildete und war in der PR für das Modelabel Hessnatur. Zudem ist sie zertifizierte familylab Seminarleiterin und Businesstrainerin und hat mehrere Jahre bei der medienpädagogischen Organisation Digitale Helden in den Bereichen Organisationsentwicklung, Personalmanagement und Eventorganisation gearbeitet. 2022 eröffnete sie ihre Buchhandlung Happy im Frankfurter Nordend. Zu hören ist sie auch:
Nadja Spiegelman, Was nie geschehen ist (Aufbau, übersetzt von Sabine Kray)
Tyler Feder, Körper sind toll (Zuckersüß, übersetzt von Cornelia Boese)
Mareice Kaiser, Ich weiß es doch auch nicht. 101 entlastende Antworten auf existenzielle Fragen (Penguin)
Vor Jahren sah Nana Agic-Kunisch die Ausstellung „The happy show“ von Stefan Sagmeister und war so tief berührt davon, dass sie bei ihrem damaligen Arbeitgeber ein Sabbatical nahm, um mit ihrer Tochter vor deren Einschulung sieben Monate lang durch Europa zu reisen. Eine wichtige Zeit für sie, um ihre Gedanken zu sortieren.
Kontakt:
Diversity-Buchhandlung Happy
Nana Agic-Kunisch
Glauburgstr. 20
60318 Frankfurt am Main
Instagram @happy.frankfurt, @happy_eventspace_frankfurt